Entgegen der weit verbreiteten Meinung, das Strassenverkehrsgesetz (SVG) gelte auf dem eigenen Privatgrundstück nicht, ist das SVG in den allermeisten Fällen eben auch auf dem eigenen Vorplatz gültig. Entsprechend ist das Umparkieren ohne Führerausweis oder in nicht fahrunfähigem Zustand immer wieder Gegenstand von Strafverfahren gegen unbescholtene Bürger. Die folgende kurze Abhandlung soll entsprechend präventiv zur Aufklärung dienen.
Das SVG regelt gemäss Art. 1 Abs. 1 SVG unter anderem den Verkehr auf öffentlichen Strassen. Als Strassen gelten Verkehrsflächen die von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder von Fussgängern benützt werden. Darunter fallen insbesondere auch Plätze, Wege und Brücken, sofern sie als Verkehrsflächen benützt werden können.
Gemäss Art. 1 Abs. 2 der Verkehrsregelverordnung (VRV) gelten Strassen als öffentlich, wenn sie nicht ausschliesslich privatem Gebrauch dienen. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts (siehe unter anderem BGer 6B_1019/2016) dient eine Strasse dem öffentlichen Verkehr, wenn sie einem unbestimmten Personenkreis zur Verfügung steht. Das Eigentum am betroffenen Grundstück spielt dabei vorderhand keine Rolle. Ebenfalls nicht entscheidend ist, ob die Benutzung nach Art oder Zweck beschränkt ist. Das führt dazu, dass z.B. ein Besucherparkplatz vor einer Bank, welcher zwar nur einem bestimmten Kreis an Personen zur Verfügung steht (nämlich den Bankkunden), in der Regel unter den Begriff der öffentlichen Strasse fällt. Der Kreis der Bankkunden ist grundsätzlich unbestimmt. Auch der Privatparkplatz vor einer Liegenschaft, steht nicht nur dem Eigentümer, sondern auch Besuchern, dem Pizzakurier sowie Handwerkern und damit einem unbestimmten Kreis an Personen zur Verfügung. Massgebend ist also die faktische Benutzungsmöglichkeit. Abhilfe schaffen indes für jedermann erkennbare Abschrankungen oder Verbotstafeln. Wobei jedoch eine Parkverbotstafel alleine unter Umständen nicht genügt, sondern ein generelles Fahrverbot erforderlich ist, wovon z.B. lediglich die Eigentümer oder Mieter ausgenommen sind und die Verkehrsfläche als Privatplatz kennzeichnen.
Als Schlussfolgerung muss man sich also auch auf einem Privatgrundstück an die Regeln des SVG halten, sofern das Grundstück nicht für jedermann ersichtlich abgesperrt ist oder jegliches Betreten und Befahren durch eine Beschilderung verboten wird.
Für den genauen Geltungsbereich des SVG wird man sich regelmässig (und verständlicherweise) erst interessieren, wenn die Behörden auf das Verhalten aufmerksam wurden und sich demzufolge ein Strafverfahren anbahnt. Die naheliegendsten Begründungen helfen jedoch in den meisten Fällen nur bedingt.
Über die Frage, ob die Argumentation: «Ich wusste es wirklich nicht!» hilfreich ist, musste bereits das Bundesgericht entscheiden. Vom Grundsatz «Unwissenheit schützt vor Strafe nicht» gibt es im Schweizer Recht (zumindest in der Theorie) eine Ausnahme: Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft (sogenannter Verbotsirrtum; Art. 21 Strafgesetzbuch [StGB]). Die meisten Autofahrer wissen wohl nicht, dass es sich bei einem Privatparkplatz um eine öffentliche Strasse handelt. Doch können sie es auch nicht wissen? Der Verbotsirrtum müsste gemäss Rechtsprechung unvermeidbar gewesen sein. Auch ein gewissenhafter Mensch hätte sich in die Irre führen lassen müssen. Wobei der Irrtum bereits dann nicht mehr strafbefreiend ist, wenn man an der Rechtmässigkeit seines Verhaltens hätte Zweifeln müssen. Das Bundesgericht hielt sodann fest, dass von einem Autofahrer erwartet werden kann, dass er die Verkehrsregeln kennt. Ein gewissenhafter Autofahrer hätte gewusst, dass z.B. für das Umparkieren auf einem Privatparkplatz ein gültiger Führerschein Pflicht ist oder er hätte zumindest an der Rechtmässigkeit seines Verhaltens gezweifelt. Demzufolge schützt Unwissenheit in diesem Falle nicht vor Strafe. Die restriktive Anwendung des Verbotsirrtums beruht darauf, dass man sich um die Kenntnis der Rechtslage zu bemühen hat und Unkenntnis nur in besonderen Fällen vor Strafe schützen soll. Ob diese sehr strenge Regelung angesichts der mehr und mehr unüberschaubaren Gesetzes- und Verordnungsflut zeitgemäss ist, sei dahingestellt.
Ein kleiner Lichtblick bietet zumindest Art. 52 StGB. Darin wird festgehalten, dass die Staatsanwaltschaft von einer Strafverfolgung abzusehen hat, wenn Schuld und Tatfolgen gering sind. Beispielsweise bewegt jemand ein Auto auf seinem Vorplatz um wenige Meter (z.B. um es vom Vorplatz in die Garage zu fahren), ohne dabei im Besitz eines gültigen Führerscheins zu sein. In diesem Fall könnte man durchaus zum Schluss kommen, dass Schuld und Tatfolgen äusserst gering sind und auf eine Strafverfolgung zum Vornherein zu verzichten ist. Dabei besteht allerdings ein beachtliches Ermessen der Behörde und man kann sich daher keineswegs darauf verlassen. Zudem wird Art. 52 StGB in der Regel ebenfalls sehr restriktiv angewendet.
Generell ist es deshalb ratsam, sich auch auf einem privaten Vorplatz an die üblichen Regeln des SVG zu halten, um nicht auf das Wohlwollen der Strafverfolgungsbehörden angewiesen zu sein.
Den ganzen Bundesgerichtsentscheid können Sie in voller Länge hier nachlesen.
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