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Strafrecht: Fahrlässige Körperverletzung auf dem Fussballfeld - Strafraum mal anders

Aktualisiert: 31. Okt. 2019


Ein gefährliches Foul kann im Sport bei einer groben Missachtung der Spielregeln auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen.
Körperverletzung im Fussball - teilweise mehr als eine rote Karte

Das Bundesgericht bestätigte mit Urteil 6B_52/2019 vom 5. März 2019 den Entscheid des Freiburger Kantonsgericht, welches einen Amateur-Fussballer, nach einem gefährlichen Tackling, wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilte. Weil der Fussballer unter Missachtung der gebotenen Sorgfalt, insbesondere unter grober Missachtung der Spielregeln den Gegenspieler foulte, erhielt er eine bedingte Strafe von 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit.


In einem Spiel zwischen zwei Amateur-Vereinen, wurde ein ballführender Spieler von einem Gegenspieler, mit gestrecktem Bein auf der Höhe des Knöchels, getackelt. Der Getroffene erlitt dabei einen Knöchelbruch. Der fehlbare Spieler erhielt für seine Aktion die gelbe Karte. Damit war die Sache aber nicht zu Ende. Der Spieler wurde im Nachgang des Spiels wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer bedingten Strafe, in Form von 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit, verurteilt. Das Kantonsgericht und schliesslich auch das Bundesgericht bestätigten das Urteil. Weshalb auf ein Amateur-Fussballspiel ein jahrelanges Strafverfahren folgen kann und wie ein Sportler zum Straftäter wird, soll im Folgenden kurz beleuchtet werden.


Die einfache Körperverletzung steht einerseits unterhalb der Schwelle zur schweren Körperverletzung und andererseits über der blossen Tätlichkeit. Die einfache Körperverletzung führt demnach nicht zu einer akuten Lebensgefahr (schwere Körperverletzung), aber stellt auch nicht mehr nur eine harmlose Beeinträchtigung der körperlichen Integrität (Tätlichkeit) dar. Als Tätlichkeit einzustufen sind z.B. blaue Flecken oder Ohrfeigen die offensichtlich harmlos sind. Unter einfache Körperverletzung fallen typischerweise Knochenbrüche und einfache Gehirnerschütterungen. Eine schwere Körperverletzung stellt beispielsweise eine lebensgefährliche Fleischwunde nach einem Messerstich dar.


Im Weiteren muss die vorsätzliche Körperverletzung von der fahrlässigen Körperverletzung abgegrenzt werden. Vorsatz bedeutet, dass jemand z.B. das Tackling mit Wissen und Willen um deren Folgen getan hat (direkter Vorsatz) oder die Verletzung zumindest in Kauf nahm und für möglich hielt (sogenannter Eventualvorsatz). Fahrlässig handelt demgegenüber, wer nicht die Vorsicht walten lässt, die aufgrund der Umstände und der persönlichen Situation erforderlich wäre.


Nach diesen Ausführungen lässt sich die potentielle Strafbarkeit von etwas «gröberen» Fussballspielern eingrenzen. Im Rahmen von Sportveranstaltungen werden in der Regel höchstens einfache Körperverletzungen in Frage kommen und andererseits wird es sich meist um Fahrlässigkeit und nur in seltenen «Extrem-Fällen» um Eventualvorsatz handeln. Daher wird in der Regel eine fahrlässige Körperverletzung in Betracht fallen. Die entscheidende Frage ist also, ab wann bei einer Sportverletzung Fahrlässigkeit vorliegt.


Zu jeder sportlichen Tätigkeit gehört selbstverständlich ein gewisses Risiko, dass man sich selbst verletzt oder durch einen Gegenspieler verletzt wird. Indem man an einem Fussballspiel teilnimmt, zeigt man, dass man grundsätzlich bereit ist, dieses Risiko einzugehen. Doch wie weit ist diese Einwilligung gültig und welche Sorgfalt muss ein Fussballer beim Tackling beachten?


Gemäss dem Bundesgericht ergeben sich, bei einer Körperverletzung die im Rahmen einer Sportveranstaltung begangen wird, die massgebenden Sorgfaltspflichten und das vom Verletzten stillschweigend akzeptierte Risiko in Abhängigkeit von den anwendbaren Spielregeln und des allgemeinen Schädigungsverbotes.


Im vorliegenden Fall hielt das Bundesgericht fest, dass, angesichts der Gefährlichkeit des begangenen Tacklings, die Verletzung der zum Schutz der anderen Spieler aufgestellten Spielregel als schwer einzustufen ist. Unter diesen Voraussetzungen kann keine Einwilligung des Verletzten in das dem Fussball inhärente Risiko einer Körperverletzung angenommen werden. Was bedeutet, dass die fahrlässige Körperverletzung im vorliegenden Fall rechtswidrig war.


Kurzgesagt macht sich ein Spieler strafbar, wenn er seinen Gegner unter Missachtung der gebotenen Sorgfalt, insbesondere unter grober Missachtung der Spielregeln verletzt.


Der Strafrahmen der fahrlässigen Körperverletzung beträgt immerhin Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Dazu kann zwar festgehalten werden, dass sich, wie auch im vorliegenden Urteil, die Strafe bei fahrlässiger Körperverletzung bei Sportveranstaltungen regelmässig im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen wird, da nur selten ein schweres Verschulden vorliegen dürfte. Zudem wird, sofern der Übeltäter nicht einschlägig vorbestraft ist, in der Regel eine bedingte Strafe ausgefällt. Am meisten Sorgen dürfte sich ein Verurteilter Fussballer über die zivilrechtlichen Folgen – nämlich die Forderung von Schadenersatz – machen.


Selbstverständlich ist das Fussballfeld kein rechtsfreier Raum und ab einer gewissen Härte muss bestimmt von einer strafbaren Körperverletzung ausgegangen werden. Doch wäre es dem Sport sicher nicht förderlich, wenn nach jedem Amateur-Fussballspiel ein jahrelanges Strafverfahren folgt. Daher bleibt zu hoffen, dass die Gerichte, aber auch alle anderen Beteiligten, mit dem nötigen Augenmass und gesundem Menschenverstand abklären, ob es sich um ein strafbares Vergehen, oder bei sachlicher Betrachtung eben doch nur um einen typischen Sportunfall handelt.


In diesem Sinne: Fair Play!


Übrigens: Den ganzen Bundesgerichtsentscheid können Sie in voller Länge (französisch) hier nachlesen.


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