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Strafprozessrecht: (Un)verwertbarkeit von illegal erhobenen Beweisen

Aktualisiert: 8. Mai 2020


Innerhalb von weniger als einem Monat musste sich das Bundesgericht gleich zweimal mit der Verwertbarkeit von Beweismitteln im Strafprozess auseinandersetzen. Im ersten Urteil vom 26. September 2019 (BGer 6B_1188/2018) stellte das Bundesgericht fest, dass private Dashcam-Aufnahmen gegen das Datenschutzgesetz (DSG) verstossen und daher lediglich für die Aufdeckung von schweren Straftaten im Strafprozess verwendet werden dürfen. Das zweite Urteil vom 7. Oktober 2019 (BGer 6B_908/2018) betraf die sogenannte automatische Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) im Kanton Thurgau. Aufgrund der fehlenden ausreichenden gesetzlichen Grundlage, waren auch die Beweismittel welche durch eine AFV erlangt wurden unverwertbar. In beiden Fällen wurde die Beschwerde des Bundesgerichts gutgeheissen, was schlussendlich zu Freisprüchen führen dürfte, obwohl das Videomaterial wohl für das Gegenteil sprach.


BGer 6B_908/2018, Urteil vom 7. Oktober 2019

Mittels der automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) wird durch eine Kamera via Kontrollschild die Identität des Halters ermittelt. Diese Daten werden im Anschluss automatisch mit einer Datenbank abgeglichen. Dabei wurde im vorliegenden Fall festgestellt, dass dem Halter des (von der AFV registrierten Fahrzeuges) zum Tatzeitpunkt der Führerausweises entzogen war. Durch einen Abgleich mit der Aufzeichnung wurde festgestellt, dass der Halter tatsächlich auch der Lenker des Fahrzeuges war und daher ohne Fahrberechtigung mit dem Auto unterwegs war. In einem ersten Schritt stellte das Bundesgericht fest, dass es für eine solch intensive Überwachung im Kanton Thurgau keine genügende gesetzliche Grundlage gibt. Daraus folgt zunächst, dass die Beweise, im vorliegenden Fall rechtswidrig erhoben wurden. Die Strafprozessordnung (StPO) beschäftigt sich in Art. 141 mit der Verwertbarkeit von rechtswidrig erlangten Beweisen. Demnach dürfen Beweise die in strafbarer Weise erhoben wurden, nur verwertet werden, wenn sie zur Aufklärung einer schweren Straftat unerlässlich sind. Im vorliegenden Fall (Fahren ohne Berechtigung) handelt es sich aber nicht um eine schwere Straftat, weshalb die Beweise aus der AFV nicht verwertbar waren.


BGer 6B_1188/2018, Urteil vom 26. September 2019

Im Gegensatz zum Urteil bzgl. automatischer Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung, war im Dash-Cam-Fall die Frage nach der Verwertbarkeit von Beweisen, welche durch Privatpersonen rechtswidrig erhoben wurden, zu beantworten. Eine explizite Regelung hierzu gibt es in der Strafprozessordnung nicht. Gemäss Bundesgericht können solche Beweise verwendet werden, wenn sie einerseits von den Strafbehörden rechtmässig hätten erlangt werden können und zudem muss eine Interessenabwägung für die Verwertbarkeit sprechen. Die Beweise dürfen nur verwertet werden, wenn sie zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich sind (Art. 141 Abs. 2 StPO). Die Dash-Cam-Aufnahmen stellen jedoch ein Verstoss gegen das Datenschutzgesetz und sogar eine Persönlichkeitsverletzung dar und erfolgten somit rechtswidrig. Im zu beurteilendem Fall wurden, aufgrund der Dashcam-Aufzeichnung eines anderen Verkehrsteilnehmers, teils einfache und teils grobe Verletzungen der Verkehrsregeln des Beschuldigten festgestellt. Dabei handelt es sich um Übertretungen und Vergehen, die nach Rechtsprechung nicht als schwere Straftaten im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO. Dieser Massstab ist gemäss Bundesgericht auch bei der Verwertung privat erhobener Beweise anzuwenden, was dazu führt, dass die Interessenabwägung zuungunsten der Verwertung ausfällt.


Fazit

Die Lehre aus den genannten Urteilen lautet, dass auch wenn Freisprüche, welche trotz einer eigentlich klaren Beweislage erfolgen, auf den ersten Blick stossend erscheinen, so sind die Regeln bezüglich der Beweisverwertbarkeit von höchster Bedeutung und dienen am Ende dem Schutz des fairen Verfahrens. Dies ist sehr zu begrüssen, da andernfalls der illegalen Erhebung von Beweisen Tür und Tor geöffnet würde.


Die ganzen Bundesgerichtsentscheide finden Sie in voller Läng hier:


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