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Neuerung im Kinderunterhaltsrecht: Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit gemäss Schulstufenmodell

Autorenbild: MLaw Emanuel SuterMLaw Emanuel Suter

Aktualisiert: 31. Okt. 2019


Die 10/16-Regel wird durch das Schulstufenmodell abgelöst
Kinderunterhaltsrecht: Schulstufenmodell als neue Richtlinie

Mit Urteil vom 21. September 2018 (5A_384/2018) hat das Bundesgericht Richtlinien festgelegt, ab wann und in welchem Umfang der hauptsächlich die Kinder betreuende Elternteil im Falle einer Trennung oder Scheidung einer Erwerbstätigkeit nachzugehen hat. Danach muss der hauptbetreuende Elternteil ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes grundsätzlich einer Erwerbstätigkeit von 50%, ab der Sekundarstufe einer solchen von 80% und ab Vollendung des 16. Lebensjahres einer 100%-Arbeit nachgehen. Im Einzelfall kann selbstverständlich davon abgewichen werden.


Seit der Revision des Kindesunterhaltsrechts per 1. Januar 2017 wird der Kindesunterhalt in Barunterhalt und in Betreuungsunterhalt aufgeteilt. Beim Barunterhalt geht es um die direkten Kosten für Nahrung, Kleidung, Wohnen und Krankenkasse des Kindes. Beim Betreuungsunterhalt werden die indirekten Kosten abgedeckt, die dem betreuenden Elternteil entstehen, weil er nicht oder nur eingeschränkt einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Bis zum hier diskutierten Urteil galt in der Schweiz die 10/16-Regel, wonach der betreuende Elternteil ab dem 10. Lebensjahr des jüngsten Kindes einem 50%-Pensum und ab dessen 16. Lebensjahr einem 100%-Pensum nachgehen musste (sofern die Erwerbstätigkeit nicht bereits während des Zusammenlebens früher aufgenommen wurde). Bereits nach bisheriger (und nun auch bestätigter) Rechtsprechung entscheiden die Eltern über die Betreuungsform (Eigen- oder Fremdbetreuung). Im Falle einer Trennung oder Scheidung ist zumindest in der ersten Phase das vor der Trennung gelebte Betreuungsmodell fortzuführen (Kontinuitätsprinzip). Danach ist grundsätzlich das Schulstufenmodell anzuwenden, wonach der hauptbetreuende Elternteil ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes einem Pensum von 50% nachgehen soll, ab der Sekundarstufe einem Pensum von 80% und ab vollendetem 16. Lebensjahr des jüngsten Kindes einem Pensum von 100%. Selbstverständlich kann im Einzelfall aus zureichenden Gründen auch vom Schulstufenmodell abgewichen werden. Dies gilt sowohl zugunsten einer geringeren Erwerbstätigkeit, als je nach vor- oder ausserschulischen Betreuungsangeboten, die von der persönlichen Betreuung entlasten, auch zugunsten einer früheren bzw. höheren Erwerbstätigkeit. Die Verfügbarkeit solcher Angebote darf nicht ausser Acht bleiben, insbesondere dort, wo keine gelebte Situation vorliegt oder wenn die finanziellen Verhältnisse knapp sind. Speziell erwähnenswert ist, dass das Schulstufenmodell auch in Bezug auf den persönlichen bzw. nachehelichen Unterhalt, also bzgl. der Eigenversorgungskapazität gilt. Trotz alle dem, darf nicht vergessen werden, dass stets auch die tatsächliche Erwerbsmöglichkeit anhand der üblichen Kriterien (Gesundheit, Ausbildung, Arbeitsmarktlage, Alter) zu berücksichtigen sind.


Mit dem genannten Urteil hat das Bundesgericht die höheren Unterhaltsbeiträge seit der Einführung des neuen Unterhaltsrechts angesichts der früheren Einschulung der Kinder, den vorhandenen Kinderbetreuungsmöglichkeiten und der Entwicklung, dass häufig beide Elternteile ausserhäuslich erwerbstätig sind, korrigiert. Diese Konsequenz wurde bereits in der Botschaft zum neuen Unterhaltsrecht antizipiert, indem ausgeführt wurde, dass das neue Unterhaltsrecht Anlass biete, die sog. 10/16-Regel zu überdenken (BBl 2014 578). Für Betroffene im Kanton Aargau, in dem der Kindergarten zur Volksschule gehört, bedeutet die neue Rechtsprechung, dass der hauptbetreuende Elternteil ab Einschulung in den Kindergarten zu einer Erwerbstätigkeit von 50% verpflichtet ist. Dies wird nachvollziehbar damit begründet, dass mit der obligatorischen Einschulung des Kindes der obhutsberechtigte Elternteil in verbindlicher Weise während der betreffenden Zeit von der persönlichen Betreuung entbunden ist. Somit ist die neue Rechtsprechung des Bundesgerichts berechtigt und damit zu begrüssen.


Den ganzen Bundesgerichtsentscheid können Sie in voller Länge hier nachlesen. 


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